Der Oberfranke Merlin Hummel ist spätestens seit seinem Podiumsplatz bei der Weltmeisterschaft in Tokio eines der bekanntesten Gesichter des deutschen Sports. Nun hat er sich überraschend und nicht ohne Nebengeräusche von seinem langjährigen Trainer Martin Ständner getrennt – der im Gespräch mit TV Oberfranken schwere Vorwürfe erhebt.
Leichtathletik-Star wurde im Oktober in Kulmbach geehrt
Der 21. Oktober dürfte ein besonderer Abend für Merlin Hummel gewesen sein. In seiner Heimatstadt Kulmbach wurde er vor geladenen Gästen im Foyer des Kulmbacher Brauereimuseums für seine Silbermedaille bei der WM geehrt. Nach Jahren der harten Arbeit, in denen sich der 22-Jährige kontinuierlich näher an die absolute Weltspitze herangearbeitet hat, stellte die Veranstaltung neben den vorausgegangenen Auftritten im ZDF-Sportstudio und der Sportschau eine weitere Etappe auf Hummels Triumphzug nach seinem Medaillengewinn dar.
Großer Medienhype um 22-Jährigen
Der Rummel um Hummel ist speziell seit seinem Auftritt in Fernost riesengroß, da stellte auch dieser Abend in Kulmbach keine Ausnahme dar. Doch zwischen all den Glück- und Selfiewünschen legte Hummel spürbaren Wert darauf, dass das Rampenlicht auch auf einen langjährigen Wegbegleiter fällt, der ihm in Japan von der Tribüne aus die Daumen gedrückt hatte: „Ich bin dankbar, dass auch mal mein Trainer wirklich mal das Lob und den Stolz von Kulmbach erfährt, weil er das auch wirklich verdient hat“, würdigte Hummel seinen Mentor Martin Ständner gegenüber TV Oberfranken.
Zuletzt herrschte öffentlich noch Harmonie
Tatsächlich kennen den Vize-Weltmeister außerhalb seiner Familie wohl nur wenige Menschen so in- und auswendig wie der Leichtathletiktrainer vom UAC Kulmbach, unter dessen Anleitung Hummel zu einem Weltklasse-Hammerwerfer heranreifte. Wie weit die Verbindung zwischen den beiden zurückreicht, veranschaulichte Ständner an jenem Abend in Kulmbach mit einer umfangreichen Powerpoint-Präsentation, in der Hummels Reise vom vielversprechenden Nachwuchstalent zum heißen Kandidaten für die Auszeichnung als „Sportler des Jahres“ anhand von Bildern und Anekdoten aufgezeigt wurde.
Plötzlicher Bruch mit langjährigem Wegbegleiter
Mit sichtlichem Stolz auf seinen Schützling berichtete der Trainer dem Publikum von ersten Trainingseinheiten in Kulmbach und gemeinsamen Reisen ins Ausland, stellte aber bei aller Heiterkeit auch immer dessen ausgeprägte Disziplin und Hingabe zum Sport heraus. Dass sowohl die professionelle als auch die persönliche Beziehung zwischen Hummel und Ständer nicht einmal einen Monat später in Schutt und Asche liegen sollte, damit rechnete an diesem Abend wohl niemand der Anwesenden. Angesichts des gewaltigen Höhenflugs und der ausschließlich positiven Berichterstattung um Merlin Hummel wirkt der in aller Öffentlichkeit entbrannte Streit mit seinem Trainer wie der Kater nach einer fröhlichen Partynacht. Es ist nicht zu erwarten, dass das Thema schon bald wieder von den Titelseiten der regionalen Zeitungen verschwindet, denn die von Ständner im Gespräch mit TV Oberfranken erhobenen Vorwürfe haben es in sich.
Ständner berichtet von Streit über Trainingsmethoden
Auslöser des Konflikts seien unterschiedliche Auffassungen über Ständners Trainingsmethoden, die dessen Schützling als veraltet ansehe. Hummel, so berichtet der Trainer, habe sich nach eigener Recherche selbst einen Trainingsplan erstellt, dessen Eignung Ständner allerdings infrage stellt. Zwar habe er sich gegenüber Hummel offen für Änderungen gezeigt, eine grundsätzliche Neuausrichtung aber abgelehnt: „Ich bin ein kompromissbereiter Mensch. Aber wenn meine Methoden so veraltet wären, dann wäre Merlin damit nicht in diese sportlichen Sphären aufgestiegen. Ich werde das nicht alles in die Mülltonne werfen“.
Eskalation bei Trainingseinheit in Kulmbach
Nachdem die Streitigkeiten über das Training, die nach Aussage des Trainers bereits vor der Weltmeisterschaft im September begonnen hatten, über Monate hinweg weiter unter der Oberfläche brodelten, erreichte die zunehmend angespannte Situation am Montag der vergangenen Woche ihren vorläufigen Höhepunkt. An diesem Tag sei Ständner zum Gruppentraining mit Hummel und einigen weiteren Athleten in Kulmbach erschienen, wo er zu seiner Verwunderung festgestellt habe, dass Hummel eigene Pläne an die anderen Gruppenmitglieder verteilt hatte.
„Unheimlich aggressiv“: Trainer macht Hummel schwere Vorwürfe
Als der völlig verdutzte Trainer ihn zur Rede stellte, habe sich Hummel vor ihm aufgebaut und ihn verbal attackiert, wobei unter anderem der Satz „nach deinem Plan trainiert hier keiner mehr“ gefallen sein soll. Ständner beschreibt das Verhalten des jungen Mannes, den er über Jahre hinweg begleitet hat, als „unheimlich aggressiv“. Im weiteren Verlauf der Konfrontation habe Hummel ihm klargemacht, dass er zwar beim Training anwesend sein, aber keine Anweisungen mehr erteilen könne.
Scharfe Attacke in Whatsappgruppe
„Ich kann es mir nicht erklären“, stellt Ständner angesprochen auf die möglichen Gründe für den Wandel in Hummels Verhalten klar. „Bei manchen Leuten im Verein heißt es, dass es mit Arroganz zu tun hat. Ich selbst bin sehr überrascht“. Tatsächlich sollte die Konfrontation auf dem Sportplatz des UAC nicht die letzte Aktion des Helden von Tokio bleiben, die Ständner fassungslos zurücklässt. Nur wenig später habe Hummel eine längere Nachricht in eine vor allem aus Athleten des UAC und ihren Eltern bestehende Whatsappgruppe geschickt, in der er Ständner scharf attackierte.
Er hat in dieser Nachricht sehr ausführlich über meine Person geschrieben – unter anderem, dass ich ja ein sehr schwieriger Mensch sei. Da habe ich am meisten geschluckt. Er schreibt, dass er zehn Jahre unter mir gelitten hätte.
„Menschlich eine Riesenenttäuschung“
Dass seine jahrelange Arbeit mit Hummel auf diese Art und Weise diskreditiert wurde, trifft Ständner offenbar hart. „Menschlich ist das eine Riesenenttäuschung. Ich habe stets versucht, ihn zu motivieren. Auf eigene Rechnung habe ich ihn zu Wettbewerben ins Ausland gebracht. Damals hat er noch große Augen gemacht!“. Angesprochen auf ein mögliches Fehlverhalten im Umgang mit Hummel sagt Ständner:
Natürlich fallen im Leistungssport auch einmal deutliche Worte. Aber wenn man so unter einem Trainer leidet, wie er es behauptet, dann bleibt doch niemand zehn Jahre bei ihm.
Abgewanderte Athleten: Ständner spricht von „Beeinflussung“
Mittlerweile hat der Streit zwischen dem früheren Vorzeigeduo des Vereins einen Keil in die Gemeinschaft des UAC Kulmbach getrieben. Hummel habe eine eigene Gruppe gegründet, zu der rund die Hälfte der Sportler in der Trainingsgemeinschaft Ständners abgewandert seien. Der Trainer spricht hinsichtlich der Motive der abgewanderten Athleten von einer „Beeinflussung“ durch Hummel. Ein langes Dasein dürfte der Trainingsgruppe aber voraussichtlich nicht beschieden sein, denn nach Angaben Ständners plane Hummel, seine Zelte in Kulmbach abzubrechen und nach Frankfurt zu ziehen. Um zu den Vorwürfen seines Trainers Stellung zu beziehen und seine eigene Sicht der Dinge darzulegen, hat TV Oberfranken Merlin Hummel einen Fragenkatalog zukommen lassen. Bis zum Redaktionsschluss erhielten wir auf diese Anfrage keine Antwort.