Do, 24.12.2015 , 00:02 Uhr

Weihnachten 2015: Grüße von Wilhelm Wenning

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

 

das Jahr 2015 neigt sich dem Ende. Es ist wieder an der Zeit, zurückzublicken. Doch warum tun wir das eigentlich, auf das vergangene Jahr zurückschauen?

 

Der amerikanische Schriftsteller Harold Glen Borlan sagte hierzu einmal:

 

„Das Jahresende ist kein Ende und Anfang, sondern ein Weiterleben mit der Weisheit, die uns die Erfahrung gelehrt hat.“

 

Es geht also darum, auf das Geschehene zu schauen und aus den gemachten Erfahrungen Lehren zu ziehen.

 

Als ich vor zwölf Monaten an gleicher Stelle auf das Jahr 2014 zurückblickte, war dieser Blick geprägt vom Thema „Asyl“. Ich berichtete davon, dass tausende Menschen nach Deutschland, Bayern und natürlich auch nach Oberfranken kamen, auf der Flucht vor Krieg, Gewalt, Not und Unterdrückung. Und ich stellte fest, dass die Asylbewerber so zu dem Thema des Jahres 2014 wurden.

 

Haben wir damals Lehren gezogen? Waren wir 2015 ein Stückchen weiser?

 

Tatsächlich könnte ich viele Aussagen aus meinem Rückblick 2014 zum Thema „Asyl“ einfach übernehmen. „Copy and paste“, fertig. Vieles würde stimmen, manches aber auch nicht.

 

Richtig ist, dass auch in diesem Jahr das Flüchtlingsthema die Arbeit der Regierung von Oberfranken bestimmte. Allerdings in einem bisher nicht gekannten Ausmaß. Hierzu einige Zahlen:

 

Bis Anfang Dezember erreichten 2015 rund 965.000 Menschen Deutschland. Davon kamen 144.000 in Bayern an. In Oberfranken werden wir bis Jahresende etwa 7.000 Personen dauerhaft in staatlichen Gemeinschaftsunterkünften oder in dezentralen Unterbringungen untergebracht haben. 2014 waren es noch 3.362, 2013 gar nur 1.477.

 

Wir betreiben mittlerweile 32 derartige Gemeinschaftsunterkünfte verteilt über ganz Oberfranken. 2015 sind allein neun neu hinzugekommen.

 

Diese Unterkünfte reichen natürlich nicht aus. Daher waren und sind wir mehr denn je auf die Kooperation mit unseren Kreisverwaltungsbehörden angewiesen. In den neun Landkreisen und vier kreisfreien Städten in Oberfranken gibt es bis jetzt rund 450 dezentrale Unterbringungen. Zum Ende des Jahres verteilten wir wöchentlich durchschnittlich 200 Menschen in Oberfranken zur Unterbringung.

 

Diese Arbeit der Unterbringungsverwaltung ist aber nur ein Aspekt. Gleichzeitig mussten wir den Bereich der Erstaufnahme schnell auf- und ausbauen.

 

Im Oktober 2014 entwickelte sich die Situation in der Bayernkaserne in München seinerzeit derart dramatisch, dass wir, neben anderen Regierungsbezirken, sehr kurzfristig eine Not-Aufnahmeeinrichtung für 200 Menschen installieren mussten. Heute, ein gutes Jahr später, sind die Liegenschaften rund um die Wilhelm-Busch-Straße herum das Herzstück unserer Erstaufnahmeeinrichtung. Zusammen mit Dependancen in der Bernecker Straße in Bayreuth sowie in Bad Berneck können wir auf eine Kapazität von 580 Plätzen zurückgreifen. Seit 14.12.2015 haben wir den Status einer selbständigen Erstaufnahmeeinrichtung mit eigener BAMF-Außenstelle.

 

Ebenfalls im Oktober 2014 hatte der Krisenstab der Staatsregierung außerdem den sogenannten Winter-Notfallplan beschlossen. Dies bedeutete, dass angesichts des Zustroms von Asylbewerbern jede Kreisverwaltungsbehörde in Bayern für die kurzfristige Aufnahme von 200 bis 300 Asylbewerbern vorbereitet sein musste, um jedem Szenario standhalten zu können. 14 Monate später handelt es sich längst um einen Dauernotfallplan. Insgesamt 2.050 „Not-Plätze“ halten unsere Kreisverwaltungsbehörden vor.

 

Das alles passierte und passiert nicht geräuschlos. Wir haben uns nicht selten kritischen Fragen stellen oder offene Kritik einstecken müssen. Wie gerechtfertigt sind diese Vorwürfe? Haben wir also keine Lehren gezogen?

 

Auf den ersten Blick erscheint manche Kritik berechtigt. Vieles von dem, was im letzten Jahr im Bereich „Asyl“ passiert ist, ist aber unter enormem Druck geschehen. Druck, der durch nicht steuerbare und so nicht vorhersehbare Geschehnisse und Entwicklungen entstanden ist. Lassen Sie mich das am Beispiel der Ankunfts- und Rückführungseinrichtung (kurz: ARE) in Bamberg beschreiben.

 

Mitte August wurde entschieden, dass in Bamberg eine Einrichtung für 1.500 Asylbewerber mit geringer Bleibewahrscheinlichkeit errichtet werden soll. Anlass war die hohe Zahl an Asylsuchenden aus den Ländern des Westbalkans, die kaum eine Bleibewahrscheinlichkeit haben. Zeit bis zur Eröffnung: vier Wochen! Die Gebäude der ehemaligen US-Kaserne in Bamberg boten hierfür glücklicherweise ideale Voraussetzungen. Tatsächlich gelang es, dass am 14.09.2015 die ersten 100 Asylsuchenden einzogen. Dies war nur möglich, weil Behördenvertreter, aber auch private Baufirmen oder die Stadtwerke Bamberg in der Zwischenzeit nahezu rund um die Uhr arbeiteten. So gelang es, aus ehemaligen Wohnblöcken Büroräume und Unterkunftsräume zu machen. Zum Jahresende haben wir die maximale Kapazität von 1.500 Plätzen erreicht. Und die nächste Mammutaufgabe vor der Brust: denn keine zwei Monate nach der Eröffnung wurde entschieden, dass die Kapazität der ARE auf 4.500 Plätze aufgestockt wird.

 

Mit der Errichtung allein war es nicht getan. Die ARE sollte natürlich auch ihren Zweck erfüllen. Dieser besteht darin, alle am Asylverfahren beteiligten Behörden an einem Ort zu versammeln und so das Verfahren deutlich zu beschleunigen – ohne dabei an Rechtsstaatlichkeit einzubüßen. Es galt also auch, einen reibungslosen Ablauf, ein Ineinandergreifen aller beteiligten Stellen zu organisieren.

 

Die Bewältigung aller Aufgaben rund um das Thema „Asyl“ war und ist für alle Beteiligten eine große Herausforderung. Sie beschäftigt einen Großteil der Regierungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Fast 3.000 Überstunden allein in diesem Bereich belegen das. Dennoch gab es natürlich viele weitere Themen im abgelaufenen Jahr, die uns als staatliche Mittelbehörde beschäftigt haben.

 

So konnte ein für die sichere Stromversorgung Bayerns wichtiges Projekt im Jahr 2015 entscheidend vorangebracht werden. Bereits im Januar hat die Regierung von Oberfranken den Planfeststellungsbeschluss für den bayerischen Teil der „Thüringer Strombrücke“, die von Halle/Saale bis Redwitz a.d. Rodach führt, erlassen. Die 380 kV-Leitung, an der seitdem mit Hochdruck gebaut wird, erstreckt sich in Oberfranken von der Landesgrenze Thüringen/Bayern nördlich des Froschgrundsees im Stadtgebiet von Rödental bis zum Umspannwerk bei Redwitz a.d. Rodach im Landkreis Lichtenfels. Im Mai folgte dann der Planfeststellungsbeschluss für die Umstellung eines 220 kV-Stromkreises der Höchstspannungsleitung zwischen Redwitz a.d. Rodach über Würgau nach Grafenrheinfeld.

 

Einen ganz wichtigen Standortfaktor nicht nur für die Wirtschaft stellt das schnelle Internet dar. Im Juli 2014 hat die Staatsregierung mit der Breitbandrichtlinie die Förderung hochbitratiger Breitbandverbindungen optimiert. Das Förderprogramm wird von den oberfränkischen Städten und Gemeinden hervorragend angenommen. Zum Stand Mitte November 2015 hatte die Regierung bereits 115 Zuwendungsbe­scheide für Breitbandprojekte in 104 oberfränkischen Städten und Gemeinden mit einer Fördersumme von über 50 Millionen Euro auf der Grundlage dieser Förderrichtlinie erlassen. Mit der Umsetzung all dieser Projekte wird das schnelle Internet in Oberfranken deutlich vorankommen.

 

Im staatlichen Hochbau erfolgte im Juli 2015 die feierliche Grundsteinlegung für das Gebäude der TechnologieAllianzOberfranken (TAO) an der Universität Bayreuth. Für die geplante Bausumme von 44 Millio­nen Euro entsteht am Campusring ein Gebäude, welches das „Zentrum für Materialwissenschaften und Werkstofftechnologie“ und das „Zentrum für Energietechnik“ gemeinsam nutzen werden.

 

Ein besonderes Highlight im Juli 2015 war sicher die Neueröffnung des für rund 20 Millionen Euro sanierten und neugestalteten Richard Wagner Museums. Nach dreijähriger Bauzeit präsentiert sich das Museum mit einem Erweiterungsbau und drei thematisierten Dauerausstellungen zu Leben, Werk und Wirkung Richard Wagners vollständig neu.

 

Ein weiterer Höhepunkt des Jahres war außerdem die Eröffnung des ersten Comic-Museums in Europa – in Schwarzenbach a.d. Saale, dem Geburtsort von Erika Fuchs, der Übersetzerin der Donald Duck Hefte und der Erfinderin der deutschen Comicsprache. Zur Eröffnung am 1. August zeigte sogar die Kulturtitelseite der Süddeutschen Zeitung das Erika-Fuchs-Museum in Schwarzenbach a.d. Saale, welches am 26. November auch Veranstaltungsort für das 14. Oberfränkische Bauseminar war.

 

Ein großer Tag für den oberfränkischen Straßenbau war der 20. Juli des zu Ende gehenden Jahres. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt verkündete die Baufreigabe und damit verbunden auch die Freigabe der Haushaltsmittel für die Ortsumgehungen von Zeyern im Zuge der Bundesstraße 173 und von Untersteinach im Zuge der Bundesstraße 289. Insbesondere die Realisierung der Umgehung von Untersteinach ist seit vielen Jahren Wunsch der Bevölkerung. Die Kosten für beide Umgehungen betragen zusammen über 60 Millionen Euro und werden auch zur Stärkung der heimischen Bauindustrie beitragen. Wir freuen uns schon auf die Spatenstiche für beide Projekte im Frühjahr 2016.

 

Auch im Naturschutzbereich konnten im vergangenen Jahr mehrere Projekte erfolgreich abgeschlossen werden, wie z.B. das LIFE-Projekt Oberes Maintal oder verschiedene Projekte zur Umsetzung der bayerischen Biodiversitätsstrategie in Oberfranken. Bei allen Projekten zeigt sich, dass sich vor allem dort Erfolge einstellen, wo Naturschützer und die Bevölkerung vor Ort gemeinsam für den Schutz der Natur arbeiten.

 

Im Steigerwald gibt es nach vielen Jahren erbitterten, hitzigen Streits ein erstes Hoffnungszeichen, vielleicht noch nicht auf Frieden, aber zumindest auf eine Rückkehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung. Frau Staatsministerin Scharf hatte dazu rund 80 Teilnehmer aus Politik und Verbänden aus der Region zu einer Konferenz eingeladen. Im Ergebnis sollen nun beide Varianten für ein mögliches Welterbe ‑ Weltnatur- oder Weltkulturerbe – in einem offenen Prozess weiter verfolgt werden. Für welchen Weg sich die Region letztlich entscheiden wird, werden die kommenden Jahre zeigen.

 

Zahlreiche Grundschulen haben auch in diesem Jahr das Profil „Flexible Grundschule“ erworben. An zwei Grundschulen wurde der Schulversuch „Bilinguale Grundschule“ etabliert. Hierbei sollen Schülerinnen und Schüler bereits ab der ersten Jahrgangsstufe in allen Fächern mit Einbeziehung geeigneter Themen von qualifizierten Lehrkräften in englischer Sprache unterrichtet werden.

 

Um die Mittelschulen vermehrt in den Focus der Öffentlichkeit zu bringen, gab es im Juli in allen Schulamtsbezirken erstmalig eine Ehrung der besten Schülerinnen und Schüler, die zum Schuljahresende entlassen wurden. Die Schülerinnen und Schüler mit den besten qualifizierenden Abschlüssen der Mittelschule (Quali) sowie den besten Mittleren Schulabschlüssen der Mittelschule (M10-Prüfung) des jeweiligen Schulamtsbezirks erhielten als Auszeichnung eine Urkunde. Dabei wurde besonders deutlich, dass unsere Mittelschülerinnen und Mittelschüler, die während ihrer Schulzeit verschiedene Berufsorientierungsmaßnahmen durchlaufen haben, für das Berufsleben bestens qualifiziert sind.

 

Die Unterstützung inklusiver Beschulungsformen im Regelschulbereich hat sich kontinuierlich weiterentwickelt. Erstmalig haben im Jahr 2015 auch zwei Förderzentren das Schulprofil Inklusion erhalten. An den Sonderpädagogischen Förderzentren wurde mit Beginn des Schuljahres 2015/2016 der Rahmenlehrplan für den Förderschwerpunkt Lernen verbindlich eingeführt.

 

An den Berufsschulen wurden in Oberfranken zur Beschulung von berufsschulpflichtigen Flüchtlingen und Asylbewerbern insgesamt 26 Klassen für 520 Schülerinnen und Schüler eingerichtet. Zielsetzungen in diesen Klassen sind grundlegender Spracherwerb, die gesellschaftliche Eingliederung sowie eine erste berufliche Orientierung. Durch die zunehmende Beschulung von Flüchtlingen in Flüchtlingsklassen steigt auch der Bedarf an Lehrkräften. Trotzdem ist es den oberfränkischen Schulen gelungen, die Vorgaben von Ministerium und Regierung von Oberfranken zu erfüllen und die Unterrichtsversorgung sicherzustellen.

 

Damit sind wir am Ende wieder beim Thema „Asyl“ angekommen. Und bei der aufgeworfenen Frage: was für Lehren können wir ziehen?

 

Mir hat das Jahr 2015 vor allem eines gezeigt: Nicht alles ist plan- und steuerbar. Wir konnten die sich stellenden Herausforderungen aber bewältigen, weil alle an einem Strang gezogen und zusammengeholfen haben, einer für den anderen einstand. Viele haben dabei Außerordentliches geleistet. Dafür möchte ich mich bei allen Beteiligten ganz herzlich bedanken. Herausforderung darf aber nicht zu Überforderung führen. Bei aller Leistungsbereitschaft erscheint mir daher wichtiger denn je, auch aufeinander zu achten. Das ist für mich die Botschaft des Jahres 2015.

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein friedvolles Weihnachtsfest. Achten Sie auf sich und Ihre Lieben. Für das kommende Jahr 2016 wünsche ich Ihnen alles Gute, Glück und Gesundheit.

 

Ihr Wilhelm Wenning

 

Regierungspräsident

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