Mo., 24.11.2025 , 14:41 Uhr

Stadt Bamberg/Landkreis Bamberg

Giftgefahr statt Gaumengenuss in Breitengüßbach: Chronik einer unglaublichen Mordanschlagsserie auf die eigene Familie

Finanzen, Pflanzen und Pizzen - Ein von zahlreichen Kuriositäten geprägter Fall

Der Angeklagte im aufsehenerregenden Pizza-Prozess vor dem Landgericht Bamberg wurde am Freitag, dem 14. November, zu elf Jahren und vier Monaten Haftstrafe verurteilt. Der dreifache versuchte Mord an seiner Ehefrau und zuletzt auch der an seinem Sohn galten infolge der Beweislage und des Geständnisses des Angeklagten Dirk G. vor dem Gericht als erwiesen. Beim Gerichtsprozess kamen schaurige Einzelheiten und unglaubliche Gedankengänge des Täters zum Vorschein – wir haben die erschütternden Taten von Breitengüßbach zusammengefasst.

Informationsbeschaffung auf der Arbeit über Monate – Kollegen werden angelogen

Der 57-Jährige log Freunde und Kollegen an und nutzte seinen Arbeitsplatz als Ideenfabrik zum Schmieden seiner Pläne. So nutzte er den Internetzugang bei seinem Bürojob zum Googeln nach Giften und deren Folgen und seine Kollegen zur Bestellung von Giftpflanzen. Er behauptete, dass er seine Frau mit einem neuen Pflanzenbogen im Garten überraschen wolle, weswegen auch Onlinebestellungen über Dritte erfolgten. Insgesamt sechsmal bestellte der Angeklagte selbst oder über Freunde giftige Pflanzen.

Auszug aus der Anlageschrift

Finanzen statt Vitalität - Steuerfragen vor Mordversuch

Etwa zehn Monate lang suchte der Mann nach Möglichkeiten und googelte exemplarisch, was passiert, wenn man die Giftpflanzen wie Paternostererbse, Tollkirsche, Eibe oder Blauer Eisenhut rauchen, als Tee trinken, im Joghurt essen oder diese Gifte als "Mordwaffe" benutzen würde. Ebenfalls googelte der Ehemann nach der Möglichkeit Beerdigungen steuerlich absetzen zu können.

Doppelleben im Web und in der Realität

Das Motiv von Dirk G. lag in seiner Liebe zu einer anderen Frau begründet. Der Breitengüßbacher lernte 2022 über das Internet eine Frau aus Hamburg kennen, zu der er sich stark hingzogen fühlte. Obwohl der 57-Jährige und die deutlich jüngere geliebte Thailänderin auf Social Media – unter anderem TikTok – ihre Beziehung zelebrierten, blieb die Bekanntschaft ausschließlich eine Scheinwelt in den digitalen Medien. Der Verurteilte log über seine seit 1994 bestehende Ehe, dass die Scheidung im Gange sei und verschwieg die zwei gemeinsamen Kinder. Gleichzeitig versprach er seiner Loverin genau das: Ehe und Kinder.

Italienische Küche als Mordwerkzeug missbraucht

Im Sommer 2024 beschloss Dirk G. seine Ehefrau zu töten. Der Ehemann versuchte insgesamt siebenmal, seine Frau mit gefährlichen Pflanzengiften umzubringen. Die Taten vor dem 11. Dezember 2023 lassen sich jedoch nicht zweifelsfrei nachweisen, sodass die letzten drei Mordversuche als entscheidend für die Verurteilung gelten. In den Fällen nutzte der Mann von ihm erworbene und zubereitete Mahlzeiten, die er mit dem Gift präparierte, um es nach einem krankheitsbedingten, natürlichen Versterben aussehen zu lassen.

Langer Leidensweg für Ehefrau

Gegen August bis September 2023 begann die erste Attacke, bei der die Ehefrau starke Magen-Darm-Beschwerden bekam. Zwischen Januar und April 2024 bekam die Ehefrau Herzrhythmusstörungen und musste ins Klinikum Bamberg eingeliefert werden. Im Mai musste die Geschädigte nach erneuter Giftattacke über den Notarzt in das Krankenhaus Lichtenfels für sechs Tage stationär behandelt werden und bekam wegen des Kollapses Bluthochdruck. Unmittelbar danach vergiftete der Ehemann erneut seine Frau, sodass es zu einem einwöchigen Klinikaufenthalt in Bamberg kam. Es wurde ein Herzschrittmacher eingesetzt, da das Klinikpersonal auch aufgrund der vorgespielten Sorge des Ehemannes die Vergiftung nicht erkannte.

Lasagne mit Pflanzengiften präpariert

Im April 2024 manipulierte der Täter eine Lasagne mit der Paternoster-Erbse und/oder dem Blauen Eisenhut. Das in der Pflanze enthaltene Abrin gilt als eines der stärksten Pflanzengifte weltweit. Ein einziger Samen der Pflanze enthält 75 μg Abrin – genug, um einen Menschen schwer zu vergiften und zu töten. Die Geschädigte erlitt nach dem Konsum Schwindel, Brennen im Mund und ein Kribbeln, rief jedoch keinen Arzt. Die genaue Beweisführung ist erschwert, da die Lasagne dem Gesundheitsamt gemeldet wurde. Nach der Feststellung eines rindenähnlichen Fremdkörpers/Stoffes vernichtete die Behörde das Nudelgericht.

Giftiges Gemüse sorgte für schwere Schäden

Anfang September 2024 servierte der Ehemann ein von ihm vergiftetes Gemüse, wodurch die Frau wiederum im Krankenhaus Bamberg mit reflektorischen Herzbeschwerden erneut stationär behandelt werden musste.

"Toxischer" Ehemann serviert toxische Tiefkühlpizza

Hartnäckig versuchte der Ehemann ein siebtes und letztes Mal, am 11. Dezember 2024 gegen 20:00 Uhr, seine Frau zu vergiften. Dafür wurden vier Pizzen zubereitet: Thunfisch, Speciale, Salami und Hawaii. Der Mann machte sich eine Thunfisch-Pizza, die von den anderen Familienmitgliedern nicht von Interesse war. Der sich in den Zwanzigern befindende Sohn bekam die Salami-Pizza. Die Mutter und der Sohn teilten sich untereinander wie sonst üblich jedoch die anderen Pizzen. Nachdem die Pizza Hawaii unabsichtlich verbrannt und somit unverzehrbar war, blieb nur eine weitere Pizza übrig, von deren Vergiftung nur Dirk G. wusste: die Pizza Speciale mit dem Pflanzengift Aconitin des Blauen Eisenhuts. Diese wurde von Beiden dann konsumiert.

4.000-fache Menge Gift auf weniger als ein Viertel der Pizza

Dabei aß die Frau ca. die Hälfte, der Sohn mindestens ein Viertel der vergifteten “Speziale”-Pizza. Zwölf Gramm des Giftstoffes Aconitin befanden sich auf den übrig gebliebenen Stücken. Drei bis sechs Milligramm Gift können bereits tödlich sein. Somit übersteigt die Menge an Pflanzengift, die auf weniger als ein Viertel der Pizza war, die lebensgefährliche Dosis um etwa das 2.000-fache bis 4.000-Fache.

Der Zufall rettet Sohn und Frau

Nach dem Verzehr der vergifteten Pizza verschlechterte sich der Zustand der Frau und des Sohnes innerhalb kurzer Zeit bemerkbar, weswegen sie medizinische Beratung – jedoch außerhalb der Notrufnummer 112 – anforderten. Dank des schnellen Handelns des Zuständigen am anderen Ende der Leitung wurde dennoch ein Rettungswagen gesendet. Als dieser die Symptome und den Hergang aufnahm und die Erklärungen für unplausibel hielt, wurde ein weiterer Rettungswagen angefordert. Auch dieser hielt die Gegebenheiten für fragwürdig. Zum Glück musste sich der Sohn "fontänenartig" erbrechen, sodass ein Großteil des Giftes aus dem Körper gelangte.

Wenige Minuten entscheiden zwischen Leben und Tod – Ehemann bleibt emotionslos

Er war der einzige, der zu diesem Zeitpunkt die Ursache der Krankheitsbilder kannte. Beim Eintreffen des Notarztes verfolgte er das Geschehen „ohne größere Anspannung und jedwedes Mitgefühl“. Er teilte den Rettungskräften keine Ursache mit, obwohl die beiden Notärzte und das Rettungsteam eine lange Zeit unzureichenden Informationen verzweifelten. Es ging um jede Minute: Wären die Maßnahmen nur zehn Minuten bis eine halbe Stunde später eingeleitet worden, hätte dies den Tod zur Folge gehabt. Derart knapp dem Tod entkommen nur wenige.

Sohn hat Glück – schwere Folgen für Ehefrau

Mit starkem Kammerflimmern und in Lebensgefahr konnte der Sohn nach Reanimation in das Klinikum Coburg verlegt werden. Die Mutter hingegen wurde ohne Lebenszeichen in das Krankenhaus zur Reanimation gebracht. Erst eine Woche nach der Einlieferung konnte sie aus dem Koma geholt werden. Die Frau musste mühevoll unter anderem das Laufen und Stehen lernen und leidet bis heute an starken Beeinträchtigungen der Konzentrations- und Merkfähigkeit. Es besteht weiterhin eine psychologische Behandlung, der Beruf konnte bis vor Kurzem ebenfalls nicht vollständig ausgeübt werden.

Gepfefferter Vertuschungsversuch

Dirk G. , der die Symptome seiner Familienangehörigen mitbekam, benutzte Pfeffer damit seine Pizza auch äußerlich wie vergiftet wirkt. Er täuschte ebenfalls vor, einen pelzigen Geschmack vernommen zu haben. Der Schwindel flog auf.

Vater nutzt Depressionen des Sohnes für seine Zwecke

Zum gemeinsamen Sohn hatte der Vater ein mitunter kompliziertes Verhältnis. So sprach der Vater beispielsweise mit dem Sohn teilweise in einem schroffen Ton, sogar beleidigend. Der Sohn des Angeklagten vertraute seinem Vater seine Depressionen an. Der Mann nutzte diese Tatsache und damit das Vertrauen seines Sohnes aus, um ihn anfangs als Verdächtigen ins Spiel zu bringen.

Familie im Klinikum – Geliebte in seinen Gedanken

Während die Familie mit den Folgen der Vergiftung zu kämpfen hatte, befand sich der Mann auf der Flucht und tauchte in Frankreich vorerst unter. Über ein Zweithandy konnte der Angeklagte mit verschiedenen Personen telefonieren. Hierbei war er in Gedanken bei der Hamburgerin, denn er bearbeitete – wie schon vor dem Giftangriff – Bilder von ihm und ihr. Der Breitengüßbacher wollte sich über Frankreich nach Thailand absetzen und wurde schlussendlich in Toulouse festgenommen.

Untersuchungshaft in Frankreich weist mangelnde Hygiene auf

Die Untersuchungshaft wird ihm im Verhältnis eins zu zwei an seine Haft angerechnet, da die hygienischen Bedingungen in Frankreich nicht deutschen Standards entsprechen. Insbesondere, dass Haftkleidung nicht gewaschen wurde und bei ziehenden, offenen Fenstern nur eine Decke zur Verfügung stand, sorgte für eine Anrechnung der im Ausland verbrachten Untersuchungshaft.

"Ich war ein Monster" - Mann gesteht Tat

Der Prozess schockiert nicht nur die Besucher,  der Staatsanwalt und die Anwälte der Nebenklage sind ebenfalls vom Eindruck der Schilderungen erschüttert: In ihrer Karriere haben die Juristen noch nie einen derartig heimtückischen Mordversuch gesehen. Der Mann gestand: "Ich war ein Monster", ohne genauer auf die auf seine Motive einzugehen. Wegen dem Geständnis forderte die Staatsanwaltschaft zwölf Jahre und neun Monate statt lebenslänglich.

Trotz bleibender Schäden – Frau fordert mildes Urteil

Verschiedene Taten des Verurteilten wurden bei der Urteilsfindung strafmildernd oder straferschwerend gewertet. Vor allem, dass der Ehemann erstmals straffällig wurde, geständig war und sich bei der Familie entschuldigte sowie sich mit dieser sogar versöhnte, wird strafmildernd angerechnet. Dadurch erleichtere er die Aufarbeitung für die Familie. Beide Geschädigten zeigten kein unbedingtes Strafverfolgungsinteresse. Der Kontakt zur Familie wird während des Gefängnisaufenthaltes deutlich erleichtert. Auch sei die Gefährlichkeit des Täters nicht uneingeschränkt aufklärbar, da die Informationsgrundlagen fehlen. Es liegen nach Sicht der Staatsanwaltschaft jedoch narzisstische und desoziale Grundzüge nahe.

Mehrere Straferschwerende Faktoren

Straferschwerend kam unter anderem die Hartnäckigkeit des Täters, der über einen langen Zeitraum immer wieder versucht hat, seine Frau umzubringen, sowie die schwere der Tat an sich, welche derart knapp an dem Tod vorbei führte wie nur selten sonst. Bei der letzten Tat waren sogar zwei Familienmitglieder betroffen, obwohl es nur einen geringen Anlass gibt, denn einen Grund, warum eine Trennung regulär nicht möglich ist, gibt es nicht. Nach gescheiterter Vertuschung, versuchte er die Schuld auf den Sohn zu schieben, als dieser im Krankenhaus war, redete abfällig über ihn um ihn als Verdächtigen ins Spiel zu bringen.

11 Jahre und 4 Monate Haftstrafe

Außerdem floh er während seine Familie im Krankenhaus war und bearbeitete weiterhin Bilder mit seiner Geliebten. Bei der Vernehmung beklagte er zuerst die schlechten Haftbedingungen in Frankreich, als nach seiner Familie zu fragen. Die Abwägung der positiven und negativen Faktoren das Strafmaß beeinflussen führten zu einer Haftstrafe von elf Jahren und vier Monaten. Als Mordmerkmal wird Heimtücke angenommen.

Südkorea, Italien, England, Malaysia – Prozess sorgt international für Schlagzeilen

Der Fall schlägt nicht nur in Deutschland bundesweit für hohe Wellen, auch international sorgte die toxische Tiefkühlpizza für Aufsehen. So berichtete unter anderem "Chosun" aus Südkorea, der "Mirror" aus England "Fanpage" aus Italien und "Newswav" aus Malaysia.

TVO-Beitrag zur Urteilsverkündung

Urteil am Landgericht: Mann muss wegen versuchter Giftmorde ins Gefängnis
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